Eröffnung des Bettenhauses und Besuch in der Kinderkrippe

Der Tag begann mit der offiziellen Eröffnung und Übergabe des Bettenhauses in Gohomey. Nach dem Fahnenappell mit Nationalhymne gingen alle Mitarbeiter und unser Team mit zum Bettenhaus, wo uns der Bauunternehmer (von Dr. Johannes Kohler und seinem Team als einer der ersten Patienten operiert und wieder hergestellt!) ganz stolz sein Werk präsentierte.
Und dann gab es noch ein Geburtstagsständchen für unseren Kinderarzt, Hans-Hermann Pieper zu seinem Festtag heute.
Das OP-Team hatte heute zwei  Operationen auf dem Programm.  Die erste dauerte vier Stunden bei einer mehrere Jahre alten Fraktur bei einer sehr schwergewichtigen Patientin. Sie war zwar schon zwei Mal operiert worden; bisher hatte die Fraktur jedoch keine Stabilität erlangt.
Der beninische Zahnarzt wird heute im Team der Familie Klein in der Zahnarztpraxis mitwirken. Der Zahnarztstuhl kränkelt auch immer noch, aber back to the roots, die ersten manuellen Behandlungstechniken von medeor u.a.kommen wieder zum Einsatz. Es zeigt sich wieder, dass elektrische Hochtechnologie unter tropischen Bedingungen ein großes Problem bzgl.  der Funktionalität darstellt.

Dennoch: es gibt große weitere Fortschritte in Gohomey. Jetzt können die Patienten für etwa 10 Euro einen Zahnersatz, also eine Brücke oder Prothese bekommen, wenn sie das möchten und benötigen.

In der Kinderkrippe sind aktuell 15, mit Ihren Mamas oder Pflegemüttern. Kinder mit dem gleichen Anrecht auf Leben und Entwicklung wie es für unsere Kinder gilt. Jedoch mitnichten mit vergleichbaren Chancen. Doch in Gohomey in der Kinderstation des Krankenhauses und in der zugehörigen Kinderkrippe wird um jedes Kinderleben hart und intensiv  gerungen. Und das ist keinesfalls pathetisch, sondern bittere Realität. Malaria, Typhus, Hirnhautentzündung…Hier zu überleben bis zum Schulalter ist keineswegs selbstverständlich. Ein Beispiel: die Drillinge Elodie, Elias und Elei kamen nach fast einmonatigem Aufenthalt in der Kinderklinik bei uns direkt in die benachbarte Kinderkrippe. Das war am 25.Juli 2019. Dort entwickeln sie sich nach einem strengen Ernährungsprogramm nun erstmals in Richtung „Leben“. Sie kamen mit 1100 und 2x 1800 Gramm und ihr Gewicht liegt jetzt -fast vier Monate später – bei 4600, 4800 und 5800
Gramm.
Weiterhin gibt es viel Kleinkinder, deren Mutter bei der Geburt verstarb und deswegen geraten sie in die Unterernährung. Ebenso, wenn eine Mutter nicht ausreichend stillen kann. Weiter gibt es aidskranke Mütter und eben Mehrlingsgeburten, die nach unserer Meinung zunehmen.
Diese Kinder hätten keinerlei Chance auf ein Überleben gehabt und unsere Kinder haben alle Chancen im Leben zu bleiben.

Am Nachmittag gibt es dann wieder eine dramatische Szene. Wir hören eine Frau laut schreien und Wimpern.  Sie windet sich in ihrem Schmerz, ist sehr agitiert. Keiner unserer Leute aus der Pädiatrie kümmert sich. Wir verstehen es gar nicht. Sie ist offenbar behindert, hat gerade ihr Kind verloren. Langsam beginnt die Frau etwas ruhiger zu werden, so dass drinnen in der Notaufnahme Klärung stattfindet, wie wir die Mutter und das Tote Kleinkind, das zwischen den anderen (noch) lebenden Kindern im Notaufnahmeraum liegt, nach Hause bringen können. M. Dieudonne kommt auch dazu und die Chefärztin, Dr. Gisele, sagt uns, dass der Leichnam des Kindes und die Mutter bei uns bleiben müssen, bis die Diagnose klarer ist. Denn das Kind ist offenbar an hämorrhagischem Fieber gestorben. Blutungen aus Nase, Mund, Darm. Das könnte Lassa-Fieber bedeuten. Aber in dem Notaufnahmeraum wird weiter -auch im konkreten Angesicht des Todes- um das Leben gekämpft. Der Raum ist übervoll. Alle Krankenpfleger und -schwestern sind hochkonzentriert beschäftigt incl. zweier Ärzte. Es hat wirklich keiner von den „Professionellen“ die Zeit, sich um eine für afrikanische Verhältnisse überreagierende, trauernde Mutter zu kümmern.
Wahrscheinlich hat sich in der Enge, in dem Gewusele längst herumgesprochen, was mit dem toten Kind war. Diskretion ist hier kaum möglich.
Wir werden hören, ob es Lassa-Fieber war.

So oder so zeigt das Nur-Miterleben in dieser Region Westafrikas einem so deutlich, dass man sich hier am Wegesrand unserer Welt befindet mit den wirklich Ohnmächtigen unserer Zeit, denen keinerlei Gerechtigkeit widerfährt.