Kevelaer. Mehr als 500 Kartons wurden auf den Weg nach Aleppo gebracht – mit diesem Ergebnis hatte das Team der Aktion pro Humanität (APH) wahrlich nicht gerechnet. Die Kevelaerer Stiftung APH hatte die Menschen aufgerufen, warme Decken, neuwertige Winteranoraks, Isomatten und Babywindeln zum Kapellenplatz zu bringen. Und die vollgepackten Tüten und Kartons kamen nahezu im Sekundentakt. Große anpackende Unterstützung bekam APH aus der von Seydlitz-Kaserne Kalkar. Sieben junge Männer hatten sich zum freiwilligen Dienst gemeldet – und das Team aus dem Kevelaerer Priesterhaus versorgte die gesamte Truppe mit Kaffee und Quarkbällchen.
Telefonisch steht die Stiftung Aktion pro Humanität (APH) seit Tagen in engem Austausch mit den beiden Partnern der Stiftung in Syrien – Franziskanerpater Firas Lutfi und der neue Erzbischof von Homs, Jacques Mourad –, um die aktuelle Lage in Aleppo, in Idlib und in Homs zu besprechen. „Anders als in der Türkei greift in diesen Regionen Syriens keine vorhandene Infrastruktur oder medizinische Versorgung für die Menschen in absoluter Not“, sagt APH-Vorsitzende Dr. Elke Kleuren-Schryvers. „Erste Hilfen über lokale Organisationen sowie die Franziskaner und andere Ordensgemeinschaften in Aleppo und Idlib sind gut angelaufen. Doch es sind unglaublich viele Menschen, die Versorgung benötigen.“ Pater Firas berichtet, dass allein im Franziskanerkloster in Aleppo, das leichte Beschädigungen durch das Erdbeben abbekommen hat, aktuell etwa 2.500 Menschen Zuflucht gefunden haben und versorgt werden. Und es dürften täglich mehr werden.
Mehr als 50.000 Euro an Soforthilfe überwiesen
Auch in den beiden anderen Niederlassungen der Ordensgemeinschaft in anderen Stadtteilen Aleppos sowie in Idlib müssen immer mehr Menschen versorgt werden. Auch hier in Idlib lebten und leben Franziskanerpatres schon im Syrienkrieg und jetzt unter der Scharia bei den Menschen. Die Zahl der zu Versorgenden ist riesig. Pater Firas: „Es sind Nahrungsmittel, Decken, Matratzen, Medikamente und vor allem Heizmaterialien, die wir aktuell und wohl auch noch länger dringend benötigen.“ Die Menschen seien voller Angst, traumatisiert. „Sie haben große Angst vor weiteren Nachbeben und wollen nicht in ihre zumeist teilzerstörten Häuser zurückkehren. Oder sie haben überhaupt kein Haus mehr, in das sie zurückkehren könnten.“ Der neu ernannte Erzbischof von Homs versorgt mit seiner Ordensgemeinschaft die ankommenden Flüchtlinge aus Aleppo und auch die Menschen in Aleppo selbst. In Homs gab es keine Zerstörungen durch die Erdbeben, die Menschen fühlen sich hier sicherer. „Doch die lokale Bevölkerung ist durch den Krieg und die Zerstörung in dieser Region bitterarm und nicht in der Lage, Flüchtlinge zu versorgen. Dennoch läuft auch hier, wie in Aleppo, die Hilfe an“, so Kleuren-Schryvers.
Jacques Mourad sorge sich zudem sehr um die tiefe Depression und Hoffnungslosigkeit so vieler Menschen, die nach dem jahrelangem und Kräfte zehrenden Krieg nun noch diese Erdbeben-Katastrophe tragen müssen. Die Stiftung Aktion pro Humanität konnte bis heute, eine Woche nach den Erdbeben, insgesamt schon mehr als 50.000 Euro an Soforthilfe an die Partner in Syrien überweisen. Beide Ordensmänner bedanken sich sehr für diese so schnelle und unkomplizierte Hilfe.
Zeichen der Mitmenschlichkeit
„Es kann uns als Helfende ganz froh und dankbar machen, dass wir mitten im schwerst betroffenen Erdbebengebiet Syriens mit Pater Firas und dem ernannten Erzbischof Jacques Mourad so klar strukturierte, umsichtige und gut vernetzte Organisatoren der Hilfe für die notleidenden Menschen vor Ort haben. In dieser Kälte, in dieser innerlichen Leere und Verzweiflung, in der die Menschen in Syrien sich ja offensichtlich von Gott und der Welt verlassen fühlen, ist es wichtig, solche ersten, spürbaren Zeichen der Mitmenschlichkeit schnell setzen zu können, um die Chance auf ein Weiterleben und erste Perspektiven für die Betroffenen zu vermitteln“, sagt Weihbischof Rolf Lohmann, Kuratoriumsmitglied der Stiftung Aktion pro Humanität und engagierter Mitstreiter auch jetzt in der APH- Syrien-Nothilfe-Allianz vom Niederrhein. Weihbischof Rolf Lohmann ruft zum Gebet auf, gleichzeitig bittet er um jede mögliche Hilfe und Unterstützung in dieser schwierigen, prekären und traurigen Lage.
Der Klosterobere im Franziskaner-Kloster in Aleppo, P. Bahjat Karakach, hat folgende Gedanken zur Situation: „Aleppo liegt in Ruinen. Aber Eure Hilfe ist ein Zeichen von Gottes Liebe und seiner Fürsorge.“
„Beten allein hilft nicht“ stand vor Jahren auf einem großen Plakat vom Medikamentenhilfswerks action medeor, auf dem eine Ordensfrau abgebildet war, die Medikamente verteilte. „Immer wieder denke ich in solchen, scheinbar nicht zu bewältigenden Katastrophen an dieses Plakat“, sagt Dr. Elke Kleuren-Schryvers. „Wir gut und dankbar machend ist es, dass wir in kurzer Zeit wieder so konkret und zupackend helfen können. Es schließt das Gebet in keinster Weise aus, aber von Cap Anamur-Gründer Dr. Rupert Neudeck haben wir das zeitnahe Anpacken, das Zupacken für Menschen in Not – ohne Lamentieren – lernen dürfen und es ist toll, dass die Menschen am Niederrhein das so mitgehen.“
Für die nächste Etappe der Langzeit-Zusammenarbeit in dieser Erdbebenkrise wird APH nun die aktuellen Entwicklungen, Gespräche und Recherchen von Pater Firas in Aleppo abwarten. „Gern würden wir eine medizinische Versorgungshilfe in einem Krankenhaus oder mit einer mobilen Ambulanz ermöglichen. Aber die Partner vor Ort müssen uns sagen, was sie benötigen und wie es funktionieren kann“, zeigt Dr. Rüdiger Kerner, ebenfalls APH-Stiftungsvorstand, eine Kooperationsmöglichkeit für die Zukunft auf. Pater Firas ist jetzt in den nächsten Tagen in Aleppo und wird weiter nach Kevelaer berichten. Mit Hilfe von human plus e.V. Nettetal werden die Hilfsgüter nach Syrien gebracht – wenn an den Grenzen alles gut läuft, können die Kartons vom Niederrhein in gut einer Woche dann in Syrien ausgepackt werden.